Fluchttunnel Glienicke


Der Aagaard-Tunnel


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Familie Aagaard (Fotos. privat)
Im Jahre 1961 wohnte die Familie Aagaard, Niels-Martin und Lucie mit ihrem Sohn Detlef und Großmutter Gertrud (70), in der Ottostraße 7 in Glienicke.
Lucie Aagaard führte einen Frisiersalon, Niels-Martin war Arbeiter.

Direkt am Gartenzaun war die Grenze zur Veltheimstraße in Hermsdorf (West-Berlin).
Der Grenzstreifen war hier nur ca. 40 Meter breit.
Als die Familie Aagaard 1961 aus den Sommerferien aus der Tschechoslowakei zurückkam, war die Mauer errichtet worden, direkt hinter dem Haus.
Der Grenzbereich stand fortan unter besonders scharfer Beobachtung.
Wenn sie vor die Tür traten, mussten Sie ihre Ausweise zeigen, ob Sie zur Arbeit, zu Freunden oder nur spazieren gingen.
Schnell wurden erste Wachsperren errichtet, direkt neben dem Haus Ottostraße 6.

Es gab Umsiedelungen im Grenzbereich und auch Zwangsräumungen. Der Druck war groß.
Die Aagaards hatten Angst vor der Umsiedelung. Nachbarnwar es so ergangen.

Sie wussten, dass auf der Westseite, direkt hinter der Mauer, ein kleiner Abhang war und das das ein Vorteil zur Flucht sein könnte.
Die Distanz in den Westen konnte kaum kürzer sein.

Niels-Martin und Lucie hätten über den Zaun klettern können, aber sie entschieden, das alle mit sollten, auch Großmutter Gertrud, die zwar nicht wollte, dann aber musste.
Ganz abgesehen vom Schäferhund Ajax, der auch mit zur Familie gehörte.

In den Sommerferien auf einem Campingplatz auf Rügen 1962 fiel die Entscheidung, einen Tunnel zu graben, zusammen mit Hans Willner, einem Freund aus Dresden.

Direkt am Gartenzaun war die Grenze zur Veltheimstraße in Hermsdorf (West-Berlin).
Der Grenzstreifen war hier nur ca. 40 Meter breit.
Als die Familie Aagaard 1961 aus den Sommerferien aus der Tschechoslowakei zurückkam, war die Mauer errichtet worden, direkt hinter dem Haus.
Der Grenzbereich stand fortan unter besonders scharfer Beobachtung.

Wenn sie vor die Tür traten, mussten Sie ihre Ausweise zeigen, ob Sie zur Arbeit, zu Freunden oder nur spazieren gingen.
Schnell wurden erste Wachsperren errichtet, direkt neben dem Haus Ottostraße 6.

Es gab Umsiedelungen im Grenzbereich und auch Zwangsräumungen. Der Druck war groß.
Die Aagaards hatten Angst vor der Umsiedelung. Nachbarn war es so ergangen.

Sie wussten, dass auf der Westseite, direkt hinter der Mauer, ein kleiner Abhang war und das das ein Vorteil zur Flucht sein könnte.
Die Distanz in den Westen konnte kaum kürzer sein.

Niels-Martin und Lucie hätten über den Zaun klettern können, aber sie entschieden, das alle mit sollten, auch Großmutter Gertrud, die zwar nicht wollte, dann aber musste.
Ganz abgesehen vom Schäferhund Ajax, der auch mit zur Familie gehörte.

In den Sommerferien auf einem Campingplatz auf Rügen 1962 fiel die Entscheidung, einen Tunnel zu graben, zusammen mit Hans Willner, einem Freund aus Dresden.

Die Willners waren befreundet mit Dr. Walter Müller, einen Zahnarzt, ebenfalls aus Dresden, und seinem Sohn Hans-Georg.
Dieser wurde als Verwandter vorgestellt, der als armer Student regelmässig zum Essen kommen würde. Aber eigentlich kam er zum Graben in die Ottostraße.

Um kein Aufsehen zu erregen, und um Platz zu gewinnen, baute Niels-Martin zunächst eine Terrasse am Haus, die er mit Betonplatten fundamentierte.
Das signalisierte einerseits, dass er zu bleiben vorhatte und sich scheinbar auf Dauer einrichtete; eigentlich aber wurde es dadurch "einfacher", aus dem Haus heraus zu graben.
Und dadurch konnte ein Teil des benötigten Holzes zur Stützung des Tunnels unauffällig besorgt werden.

Der Tunnel begann direkt unter der Terrassentür vom Wohnzimmer aus.
Das grösste Problem war der Sand: niemand durfte Verdacht schöpfen.
Ihn herauszutragen, war unmöglich, also musste der Sand im Haus versteckt werden.

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Am 5. Oktober 1962 war Grabungsbeginn. Tagsüber wurde gegraben, nachts wurde der Sand versteckt.

Die Grabung wurde mit einfachen Mitteln, hautsächlich mit den Händen, vorgenommen. Je weiter sie kamen, desto länger wurden die Wege.
Jede Handvoll Sand musste mit den Händen ins Haus gebracht und dort versteckt werden.
"Niels-Martin war ein einfacher Arbeiter, aber er konnte fast alles", sagte seine Frau Lucie über ihn.
Es gab keinen Keller, also wurden in den Wohnräumen Zwischenwände und -decken eingezogen, und der Zwischenraum wurde mit Sand gefüllt.

Sand wurde in Schubladen, Dachrinnen, Fernsehschränken und Badewannen, hinter Spiegeln, in Fahrradschläuchen und Kissen versteckt, jeder Hohlraum wurde ausgenutzt.
Insgesamt mussten 25 Kubikmeter Sand verstaut werden.

Dann wurde er aber immer neugieriger und fragte er zu Weihnachten 1962 die Eltern selbst, und sie erzählten ihm ihr Vorhaben.
"Wir buddeln."
Jedes Mal, wenn er aus dem Haus ging, wurde er von Mutter Lucie ermahnt, niemanden etwas zu erzählen.

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Und er wusste, würde er plappern, müsste er ins Heim und die Eltern ins Gefängnis.
Er hielt dicht.

Um den Schein der Normalität zu wahren, und um zu signalisieren, dass man sich jetzt beruflich in der DDR engagierte, baute Lucie Aagaard ihren Frisiersalon aus.
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Während ihr Haus mit Sand verfüllt wurde, eröffnete sie neue Räume für Herren in ihrem Salon. Am Freitag, dem 8. März 1963, erfolgte der Durchbruch zur Veltheimstraße in Hermsdorf.

So weit hatten sie es nun geschafft. 50 Meter Tunnel waren in fünf Monaten gegraben, zehn Meter im Monat, hauptsächlich mit den Händen.
Die Familie der Freunde aus Dresden und die Eltern einer Bekannten der Aagaards aus dem Westen wurden benachrichtigt.

Zunächst wird aber demonstrativ laut und lange der sozialistische Frauentag gefeiert.
Für die Augen der Grenzer deckte Lucie Aagaard also die Kaffeetafel, im Verborgenen schnallte sie sich die Papiere der Familie unter den Pulli.
Dann der Schock: Die Mutter des Lehrmädchens bringt zwei fremde Frauen mit. „Ich war so sauer, das war für mich unfassbar“, erinnert sich die heute 91-Jährige.
Doch ihr Mann sagte: „Wer hier drin ist, der bleibt und kommt mit.“
Jede andere Entscheidung hätte die ganze Gruppe gefährdet.

Die Flucht erfolgte in der Nacht von Samstag, den 9. auf Sonntag, den 10. März 1963.
Der Tunnel wurde von allen 13 Personen innerhalb von 10 Minuten bis kurz vor den Ausgang durchquert.
Die siebzigjährige Großmutter Gertrud wurde auf einer Luftmatratze durch den Tunnel gezogen.
Dann begann das Warten vor dem Ausstieg.

Niels-Martin wollte sichergehen, das entweder ein West-Polizist oder ein Soldat der westlichen Alliierten anwesend sei, wenn Sie aus dem Tunnel herauskämen.
Die Gefahr, dass die Grenzsoldaten schießen würden, wäre dadurch geringer.
Sie waren beim Ausstieg zwar schon auf Westgebiet, aber die Gefahr war nicht gebannt.
Zwei Stunden harrten sie im Tunnel hintereinander aus, bis Martin Willner, der aus dem Tunnel allein, um Hilfe zu holen, mit Polizisten zurückkehrte.
Seine Frau war als letzte in Tunnel eingestiegen.
Dann konnten Sie endlich heraus, Großmutter Gertrud wurde mit einem Seil herausgezogen.
Um vier Uhr morgens hatten Sie es geschafft.
Die Grenzsoldaten hatten nichts mitbekommen.
Zudem war ein Scheinwerfer defekt.
Allen dreizehnüberstanden die Flucht unverletzt.

Am nächsten Morgen, Montag, den 11.März, bildete sich eine Schlange vor dem Frisiersalon von Lucie Aagaard.
Eine Angestellte wunderte sich, Lucie war doch sonst immer so pünktlich und zuverlässig.
Sie ging zum Haus der Aagaards, um nachzufragen, ob was passiert sei.
Niemand war zuhause anzutreten.
Erst dann merkten die Grenzer, die Volkspolizei und die Staatssicherheit, das da wohl etwas nicht stimmte.
Zunächst fanden sie nur die Reste der Feier des Frauentages mit benutztem Geschirr.
Es dauerte noch mehrere Stunden, bis sie den Einstieg in den Tunnel hinter einer Trittbank, die vom Wohnzimmer zur Terrasse rausführte, gefunden hatten.
Niels-Martin hatte alles bis aufs letzte Detail geplant.

Lucie Aagaard eröffnete bald einen neuen Frisiersalon.
In Hermsdorf; praktisch auf der anderen Seite der Mauer.
"Im Westen".




Archäologiebüro ABD-Dressler
Torsten Dressler
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